Und was brauchst du, um dich wohlzufühlen? Machst du deine Weiblichkeit von deinem Charakter oder deinem Körper abhängig? Und ist es wirklich wichtig, diese Frage so eindringlich zu beantworten? Wiebke ist selbstständige Tätowiererin. Sie hat ihr eigenes Studio im Bad Zwischenahn und jahrelange Erfahrung. Sie ist aber auch Ehefrau und Mutter, obwohl sie nie damit gerechnet hätte. Wiebke erzählt auf liebevolle Weise, was die Zeit mit ihr gemacht hat. Wie sich diese auf sie und ihr Leben ausgewirkt hat. Und sie erzählt euch, was ihrer Meinung nach wirklich wichtig ist.
1. Wie würdest du dich am ehesten beschreiben?
Normalerweise bin ich eine klassische Norddeutsche. Groß, eher kühl und mit wenigen Emotionen. Gerade heraus und ehrlich. Ich hätte niemals gedacht, dass ich heute dieses Leben führen würde: Eine selbstständige Tätowiererin; verheiratet mit einem wunderbaren Mann und ein wundervolles Kind. Selbst beschreibe ich mich heute als liebende Mutter, die emotionaler und sensibler ist als vor einigen Jahren. Ich würde mich schon als fröhlichen Menschen bezeichnen, wobei ich auch oft mal eher negativ gestimmt bin. Das habe ich wohl von meinem Vater gelernt. Man stellt eher erst in Frage bevor man das Positive sehen könnte. Sieht einer Rechnung nicht mit Leichtigkeit entgegen. Das ist schade, weil es mich in einigen Moment behindert, einfach entspannt und glücklich an die Situation heranzutreten. Dafür habe ich aber meinen Mann. Er ist optimistisch und hat mir gezeigt, dass die Welt auch mal gut zu mir ist. Und wenn zulasse, auch die ein oder andere Lorbeere für meine Anstrengung ernten werde. Die Sache mit der Selbstreflexion und Selbstliebe hat mir sehr geholfen, mein Handeln und das der anderen intensiver und klarer zu verstehen. Ich war häufig immer unsicher. Körperlich, aber auch in meinen Entscheidungen. Ich möchte nie einen anderen Menschen verletzen. Durch meinen Mann habe ich verstanden, was für eine tolle Frau ich bin und das ich für meine Familie und mich einstehen kann. Das dies wichtiger ist.
2. Welches Lebensziel hast du für dich?
Ich habe alles erreicht. Ihr müsst verstehen: Ich wollte garnicht unbedingt heiraten. Das stand nie auf meiner Liste. Heute ist es einfach wunderbar. Was will ich denn mehr? Ich habe einen wunderbaren Mann, ein wundervoller Sohn und eine fantastische Familie, die uns unterstützt. Jetzt, wo wir wieder in meine Heimat gezogen sind, fühle ich mich auch wieder angekommen. So richtig Zu Hause. An dem ein oder anderen Tag sprechen wir auch mal über ein 2. Kind. Aber nicht heute. Die Zeit ist noch nicht reif. Zuerst möchte ich meine Zeit voll dem Glück widmen, dass ich mich gerade umgibt. Wichtig ist mir, dass es alles ohne Druck und ohne Stress genossen werden kann. Ich habe einige anstrengende und emotionale Jahre hinter mir und möchte nun diese Zeit, in der so großes Glück in meinem Leben ist, genießen und es nicht überstrapazieren ? Ob ich mich irgendwann karrieretechnisch vergrößern möchte? – Ganz ehrlich: Nein, das sehe ich nicht. Ich werde immer meine Familie vor meine Karriere stellen. Das Glück gebe ich nicht mehr her.
3. Wie würdest du Weiblichkeit definieren und wie beschreibst du deine eigene?
Ich tätowiere und pierce jetzt seit meinem 18. Lebensjahr. Ich habe schon zichtausende verschiedene Körper gesehen. Dick – Dünn – Straffe – mit Dellen und Streifen – Große und kleine Nippel 😀 Jeder ist anders. Und Frauen sind dann nochmal besonders. Weibliche Körper unterscheiden sich immer. Es gibt nur einen ganz kleinen Anteil an Frauen, der aussieht wie die gesellschaftlichen Zeitschriftenmodels. An schlechten Tagen – diese Tage mit Wassereinlagerung, Hormonen und „Sack übern Körper ziehen“ – erinnere ich mich genau daran. Niemand ist perfekt – und jeder auf seine Art einfach wunderschön. Ganz egal, welche Maße und Gewicht du mitbringst.
Der Unterschied zwischen Weiblichkeit und Männlichkeit ist für mich eigentlich nicht groß. Klar, die körperlichen Unterschiede kann man nicht wegdenken. Außerdem haben Frauen das Glück, mit ihrem Körper zu fahren wie es ist, Kinder zu bekommen. Ich glaube aber auch, dass Weiblichkeit auch gezeigt wird durch mehr Empathie. Es ärgert mich immer ziemlich, wenn Frauen, die Karriere machen wollen oder selbstständig sind wie ich, als „Boss Bitch“ bezeichnet werden. Nur weil eine Frau gerne eine Familie gründen möchte und trotzdem erfolgreich im Beruf ist, ist sie nicht weniger weiblich. Der Grad zwischen Familie und Karriere ist manchmal echt schwierig. Da muss man an der ein oder anderen Stelle auch mal stark und mutig sein. Oder auch mal den Boss raushängen lassen.
Ich war damals sehr unsicher in mir und meiner Weiblichkeit. Erst durch meinen Mann fühle ich mich erst so richtig wohl. Ich hatte zwar auch schon vorher Beziehungen, aber das Gefühl, dass ich mit diesem Mann eine Familie gründen möchte, kam erst durch diesen einen Mann. Erst mit ihm kam so richtig das Herz ins Spiel. Ich bin sehr groß und damit den richtigen Partner zu finden, war nicht ganz so leicht. Außerdem habe ich dann auch noch durch arbeitsbedingten Stress sehr viel abgenommen. Ich habe einfach nicht mehr auf meinen Körper gehört. Mein Mann hat mich damals so kennengelernt und mich wiederaufgebaut. Dadurch, dass ich mich wohl in meiner Haut fühlen durfte, kam auch so langsam das Gewicht wieder drauf. Für ihn und diese Wandlung bin ich echt dankbar.
4. Würdest du körperliche Veränderungen an dir vornehmen wollen?
Wie gesagt, ich fühle mich wohl in meiner Haut. Meinem Mann ist egal, ob ich 50kg mehr oder weniger wiege. Hauptsache ich bin gesund dabei. Klar, gibt es sowas wie straffere Haut, die ich gerne hätte, aber das ich nicht wirklich wichtig. Ob ich mir wünsche, dass die gute Fee mit einem Zauberstab meine Problemzonen wegzaubert? Nö – Ich hätte einfach nur gern mehr Disziplin, damit ich dann in die Selbstarbeit gehen kann. So kann ich dann stolz auf mich sein. Allein schon durch die mehr fühlbaren Emotionen kann ich mich heute schon besser wahrnehmen. Das ist doch super.
5. Glaubst du, dass du durch eine ausgewogene Ernährung und Bewegung eine Weiblichkeit unterstützt und stärkst?
Also nach der Geburt hätte ich eigentlich einen zeitnahen Rückbildungskurs machen können und sollen. Aber ich hatte dafür einfach keine Zeit. Ich musste schnell wieder arbeiten gehen, mich um meine Familie kümmern und lernen, eine Mutter zu sein. Ich weiß, dass es eigentlich wichtig für meine Gesundheit ist – zumindest mal langsam zur Physiotherapie zu gehen und langsam anzufangen – aber ich arbeite einfach sehr ungern unter Druck. Die erste Zeit war sehr intensiv und hatte mich schon genug unter Druck gesetzt. Versteht mich nicht falsch, ich will diese intensive Zeit mit meiner neuen Familie nicht missen, aber ich ziehe den Hut vor allen alleinerziehenden Müttern. Ich war und bin so froh, dass mein Mann mich in der Zeit so unterstützt hat. Ich weiß in Prinzip wie eine ausgewogene Ernährung und Bewegung funktioniert. Vor einigen Jahren war ich wirklich sehr dünn, weil ich mich zwar vegetarisch, aber sehr nährstoffarm ernährt habe. Zwischenzeitlich habe ich meine Balance wiedergefunden, um dann wieder durch den arbeitsbedingten Stress sehr viel an Gewicht zu verlieren. Die Dates mit meinem Mann haben mich dann wieder mehr essen lassen, weil er mir gerne auch mal bekocht hat. Die meisten Kilos kamen dann natürlich nochmal mit dir Schwangerschaft dazu. Joa.., jetzt habe ich zwar ein paar Kilo mehr, aber auch eine wunderbare Familie, die es nicht stört. 10 Monate der Schwangerschaft fühle ich mich schon wieder ganz wohl. Mit vielen Spaziergängen und Radfahren fühle mich schon wieder sehr wohl in meiner Haut. Es dauert einfach alles seine Zeit. Und bis dahin werde ich die Zeit meiner Familie und mal einem Stück Schoki am Abend in vollen Zügen genießen.
